Chronik von Zelow

Lageplan von Böhmischen Kolonien bei Lodz / Quelle: Zeme otcu – Edita Sterikova

 

Groß Friedrichs-Tabor, die Brücke von Hussinetz nach Zelow

Ein Beitrag von Carsten Iwan

 

Persönliche Bemerkungen

Ich bin Nachkomme der böhmischen Brüderfamilien Isop, Jünterka,Korsinek, Neumann , Novak, Newetscheral, Stastek, Stary, Tessars und Tscherny aus der evangelisch-reformierten Kirchgemeinde Groß Friedrichs-Tabor in Schlesien.

 

Im Jahr 1749 gründeten die böhmischen Brüder aus Hussinetz kommend die Orte Tabor, der auch Groß Friedrichs-Tabor genannt wurde und Ziska, der auch Klein Friedrichs-Tabor genannt wurde im Bladowitzer Forst unweit der kleinen Stadt Bralin. Die Gründung erfolgte auf Land des Herzog Johann Biron von Curland. Johann Biron von Curland war zu dieser Zeit im russischen Zarenreich in Ungnade gefallen und seine Güter in Deutschland wurden vom Preussischen König Friedrich verwaltet.

W.Blanisky schreibt in seinem Brief im Jahr 1752, dass die böhmischen Kolonien von Tabor und Ziska die Folge der Gründung der Kolonie Hussitz waren:

„ Diese Gelder sind ordentlich besorget worden. Die Gemeine baute vornehmlich aus denselben Ihre Colonie bei Strehlen, unter dem Namen Hussinets an; Friedrichs=Tabor, Ziska und die übrigen Königlich-Preußischen Etablissements waren bald eine Folge dieser angelegten Gemeine.“

Der Ort Ziska=Klein Friedrichs-Tabor wurde nach dem bedeutendsten Heerführer der Hussiten „Jan Zizka von Trocno“ benannt und Tabor= Groß Friedrichs-Tabor nach der Ursprungsstadt der Hussitenbewegung in Böhmen „Tabor“. Tabor und Ziska waren mitten im Wald gelegen und weitentfernt von größeren Städten. In beiden Kolonien herrschte vollständige Glaubensfreiheit. Das hatte zur Folge, dass neben der böhmischen Brüdergemeinde der reformierten Christen viele andere Sekten versuchten an Einfluss zu gewinnen. Dies führte zur Spaltung der Kolonisten untereinander.

 

Joseph Franzkowski schildert als deutscher Chronist aus der Sicht von Groß Wartenberg die Verhältnisse in den Kolonien um Groß Friedrichs-Tabor .

Die Unruhen in Glaubensangelegenheiten dauerten von 1749 bis Ende Juli 1771, also mehr als 20 Jahre. Erst dem aus Hussinetz kommenden Daniel Ernst Zimmermann gelang es den Glaubens-Frieden herzustellen. Nach dem dann Ruhe eingezogen war, verstärkten sich auch wieder die Wanderungsbewegungen zwischen Hussinetz und den Kolonien um Groß Friedrichs-Tabor.

Im Ortsfamilienbuch Groß Friedrichs-Tabor habe ich etwas mehr als 163 Familienereignisse erfasst an denen Personen aus Hussinetz beteiligt sind. Diese Ereignisse finden vornehmlich zwischen 1770 und 1800 statt.

Nach 1800 sind es vor allem administrative Kontakte, die den Lehrbetrieb der Schulen im Ort Groß Friedrichs-Tabor und im Ort Tschermin (3 Kolonie von Tabor) sowie den Betrieb der reformierten Kirche von Groß Friedrichs-Tabor betreffen. Im Laufe der Zeit sind etwa 150 Personen von Hussinetz nach Tabor und zum Teil dann weiter nach Zelow gekommen. Allerdings waren die Kontakte nach 1800 nur noch vereinzelt.

 

Von Groß Friedrichs-Tabor nach Zelow

Als dann Frieden in das religiöse Leben in Groß Friedrichs – Tabor eingezogen war begann auch der polnische/deutsche reformierte Adel die Kirche der Böhmischen Brüder in Tabor zu nutzen. Ursache dafür war, dass die reformierten Adeligen in der evangelisch-lutherischen Kirche in Groß Wartenberg(ca. 15 Kilometer von Tabor) nicht mehr gelitten waren.

Zu den adeligen Familien gehörten die von Prittwitz, von Lipnic, von Zedlitz und andere. Die Mitnutzung der Kirche durch den Adel trug zur Verbesserung der finanziellen Situation der Kirche in Tabor bei.

Die Nutzung durch den polnisch/deutschen reformierten Adel dauerte etwa bis 1800 an. Um 1800 übernahm Gustav Calixt Biron von Curland das Erbe der Freien Standesherrschaft Groß Wartenberg von seinem Großvater Johann Biron Herzog von Curland. Zur Erbschaft gehörten auch die Dörfer der Böhmischen Brüder Groß Friedrichs (Alt) Tabor, Klein Friedrichs (Zizka) Tabor und Tschermin .

Gustav Calixt Biron von Curland war wohl selbst ein Anhänger der reformierten Konfession, so dass der reformierte Adel ins Schloss nach Groß Wartenberg zurückkehrte. Während die konfessionellen Dinge sich positiv entwickelt hatten, sah es mit der wirtschaftlichen Situation nicht so gut aus.

Die böhmischen Dörfer lagen mitten im Wald mit schlechter Infrastruktur und unmittelbar an der Grenze zu Posen. Der Boden den die Siedler bewirtschaftet war äußerst karg. Das Dorf Tschermin, das nicht von der Steuer befreit war konnte teilweise keine Steuern zahlen. Die meisten der böhmischen Siedler waren von Beruf Weber. Aber für die Waren der Weber gab es in und um Tabor keine Märkte.

So entschloss sich ein Teil der Familien nach Russisch- Polen umzusiedeln. Der russische Zar warb aktiv um deutsche und böhmische Weber, um diese in Russisch-Polen anzusiedeln. Mit Unterstützung von Alexander Petrozelin de Korwin , einem evangelisch-reformierten Adeligen, aus Danzig verhandelten die Siedler aus der Umgebung von Tabor den Kauf eines geeigneten Gebietes.

Man entschied sich zum Kauf des verkommenen Gutes Zelow bei Lodz, dass sich 100 Kilometer nordöstlich von Groß Friedrichs Tabor befand.

Am 21.12.1802 wurde in Tschermin bei Tabor der Kaufvertrag mit dem bisherigen Besitzer, Josef Schwizinski, unterschrieben.

Es wurde ein Verkaufsbetrag in Höhe von 25.666 preußischen Talern (= 154.000 polnische  Zloty.

 

Dazu gehörten unter anderen:

Matys, Kulhany, Jelinek, Korsinek, Buresch, Nementschek, Heitmanek, Pospischil, Polatschek, Provasnik, Mundil, Vacek, Jirsak, Martinez, Stehlik und Slama.

 

Zwischen 1803 und 1817 wurden die Böhmischen Brüder in Zelow von den Pastoren aus Hussinetz und Tabor betreut. Ab 1817 hatte Zelow einen eigenen Pfarrer. Im Jahr 1818 kam eine weitere Gruppe von Siedler aus dem Gebiet Groß Friedrichs-Tabor nach Zelow. Diese Gruppe siedelte in den Dörfern Kucow und Belchatow . Die Gemeinde Zelow ist eine Gründung von Groß Friedrichs-Tabor.

Von 1803 bis 1927 sind 1.604 Personen in den  Kirchenbüchern der reformierten Kirchen von Groß Friedrichs Tabor enthalten, die von Tabor nach Zelow gezogen sind beziehungsweise mit diesen Personen verwandt sind.

Ich habe Personen aus 59 Familien gezählt. Diese Familien habe ich in der Abschrift des Kirchenbuches der evangelisch- reformierten Kirche von Zelow 1800-1927 (14) entnommen.

 

Es handelt sich dabei um die Familien:

Appl, Blasius, Buresch, Heitmanek, Hoffmann, Howorka, Jelinek, Jirsak, Kimmer, Korsinek, Kedaj (Gedai), Koutecky, Kulhanek, Kulhavy, Ladislaw(Latislav), Lelek, Maly, Matys (Matis), Martinez, Matejka, Moses, Müller, Mundil, Neumann, Nowak (Novak), Petrak, Polatschek(Polaczek), Pospischil, Prowasnik, Pytlitsceh(Pytliczek), Reichert, Schebesta, Schreiber,Slama, Smolny, Stara, Stehlik, Stejskal, Stranek, Strnad, Strelec (alias Matys), Suk, Swoboda, Sterik, Scheidar, Taraba, Tesar, Tomesch, Tuschek, Twardy, Unger, Walta(Valta), Veverka (Wewerka), Witek (Viczek), Werner und Zounar.

 

Nach dem 1.Weltkrieg wurde Zelow wieder Teil despolnischen Staates. Zu diesem Zeitpunkt zog ein erheblicher Teil der Gemeinde Mitglieder nach Deutschland und nach Böhmen.

Ebenso verließen nach dem 2. Weltkrieg eine große Anzahl von Menschen die Gemeinde Zelow.

Dennoch ist die evangelisch-reformierte Gemeinde von Zelow im Jahr 2012 mit 500 Mitgliedern die zweitgrößte Gemeinde in Polen.

 

Ohne Tabor kein Zelow der Böhmischen Brüder!

 

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